A.I. - Künstliche Intelligenz

Science-Fiction USA 2001, 145 Min
Drehbuch: Ian Watson, Brian Aldiss
Regie: Steven Spielberg
Darsteller: Haley Joel Osment, Jude Law, Frances O'Connor


 

Teil 1: Die Erfindung des fühlenden Maschinenmenschen

Ein hoch ambitionierter Wissenschaftler hat ein Ziel - er will alle kinderlosen Ehepaare, die keine eigenen Kinder kriegen können oder dürfen, mit künstlichen Bübchen (von Mädchen ist gar nicht die Rede) beglücken. Diese sind nicht nur süß anzusehen, machen keinen Blödsinn, kochen der Mami zum Frühstück Kaffee, schreien nicht nach Süßigkeiten und müssen nicht ins Bett gebracht werden, sondern entwickeln auch echte Gefühle gegenüber der Prägeperson (so ähnlich wie bei den Gänsen, nur mit PIN-Code). Gesagt getan, das Prototyp-Bübchen, der "Erste seiner Art", ist entwickelt und an den Mann bzw. die Mami gebracht, deren fleischlicher Sohn im Koma liegt. Man kann sich vielleicht denken, was dann passiert. Beglückt vom neuen Sohnesbesitz funktioniert die Familie endlich wieder bis das Unerwartete eintritt: Sohnemann aus Fleisch und Blut kehrt in die Welt der Lebenden zurück. Es kommt wie es kommen muß: Eifersucht, Haß und kindliche Gehässigkeiten, natürlich von Seiten des Blutsohns. Die Folge: der kleine Mecha (so werden die Maschinenmenschen in Abgrenzung zu den Orgas - also uns - genannt) wird von Mami unter Tränen und Reue in einem finsteren Wald ausgesetzt und muß sich von da an selber durchschlagen. Hier ist der erste Teil des Films - die feinfühlige, mikrosoziologisch kritische Familiengeschichte zuende.

Teil 2: Das Abenteuer

Es folgt das große Abenteuer des kleinen Mechas, der sich selbst als Pinocchio definiert und die blaue Fee finden will. Sie soll ihn von seiner Bürde des mechanischen Daseins trotz funktionierenden Gefühlshaushalts befreien, indem er ein Orga wird. So will er die heißersehnte Liebe der Mami gewinnen. Immer bedroht von Orgas, die sich durch die Mechas in ihrer Existenz gefährdet sehen, führt ihn sein Weg durch eine vom menschlichen Laster, von Gewalt gegen die Mechas und Sünde geprägten Mad-Max-Welt am Ende doch noch zum Ziel - auch wenn die blaue Fee ihm nicht so richtig helfen kann. So weit, so realistisch. Hier hätte der Film enden sollen. Tat er aber nicht.

Teil 3: Von Außerirdischen (für alle, die den Film nicht sehen wollen)


Die Bedeutung: Ein zutiefst christlicher Film


Der Mensch ist böse und schlecht. Er lebt in jener, nicht allzu fernen Zukunft nur noch in fleischlicher Sünde und Gewalt. Gewaltätig gegen die Mechas- die guten Mechas. Die Inkarnation des Guten im Menschen, das dieser nie besessen hat, von ein paar Ausnahmen abgesehen. Denn selbst jene Mechas der alten Baureihen ohne implantierten Gefühlschip erscheinen erstaunlich sanft, feinfühlig, weise - sie zeigen alle solche Eigenschaften, die man gemeinhin als menschlich definiert. Der Mensch aber ist in seinem grenzenlosen Egoismus, seiner Geilheit und seiner unbändigen Aggressivität von diesen Tugenden endlos weit entfernt und dem nahenden Untergang geradezu geweiht. Und als er dann noch beschloß, Gott zu spielen, da war es diesem endlich zuviel - "der Mensch soll sterben! Er hat gegen meine Gebote verstoßen!" muss er gedonnert haben, bevor der Filmschnitt kam. 3000 Jahre später scheint eine Rettung der längst nur noch als Fossilien vorhandenen Menschen doch noch möglich; in Gestalt der E.T.'s tauchen die Messiasse ein zweites mal auf - entsprechend geschlechts-, gewalt-, allerdings auch gesichtslos. Die Frage, ob sie die von Ihnen trotzt ihrer Fragwürdigkeit verehrten Menschrasse wieder zum Leben, damit wohl auch zu einem besseren Leben, erwecken könnten, bleibt allerdings offen. Auf jeden Fall: wenn dies gelingen sollte, wäre der Mensch, das Biest aus Fleisch und Blut, überwunden. Wäre das vielleicht der Maschinenmensch oder wäre das der Mensch, der nicht mehr alles in Gut und Böse einteilt und mit Vernunft und in Friedfertigkeit neben seines gleichen und dem Anderen leben kann.
Gut und Böse ist allerdings auch das Motto dieses Films: ein zutiefst christlicher Film, der die Verdorbenheit des menschlichen Zivilisationswesens anprangert und sein Inferno prophezeit. Auch ein Film, der die zunehmende Zerstörung der Umwelt nebst Zerstörung des menschlichen Selbst durch mechanische Ersetzung an die Wand malt - obwohl die Mechas ja irgendwie doch als die besseren Menschen erscheinen.

Mensch gegen Maschine oder Maschinenmensch

Kann es wirklich so kommen? Das ist die Frage, die einem aufdrängt. Ersetzt der Mensch seine Arbeitskraft, seine Liebespartner, zuletzt seine Kinder wirklich durch Maschinen und gibt es dann irgendwann tatsächlich den Krieg Mensch gegen Maschine? Oder verläuft das weitere Schicksal der Menschheit nicht komplizierter, verwickelter?
Ich denke, wahrscheilicher ist es, dass der Mensch aus Fleisch und Blut mit der Maschine verschmelzen wird. Das Biologische wird überwunden werden, indem sich der Mensch höchstselbst mit den Errungenschaften der Technologie ausstattet: sich künstliche Körperteile verschafft (erfreut sich jetzt ja schon steigender Beliebtheit), seinem schwachen Geist mit Elktrochips auf die Sprünge hilft, seine angeborene visuelle Wahrnehmung durch die Cyberwelt ersetzt, seine Geburt sich krankheitsgendefektfrei im Reagenzglas vorbereitet und in künstlichen Gebärmutterwelten vollzieht usw. usf. Der Mensch wird selber zur Maschine. In einem solchen Zustand sind Gefühle sowieso völlig egal - sie hören irgendwann auf zu existieren, weil sie nicht mehr benötigt werden.

Fazit:

Keine besonders überzeugende Zukunftsutopie. Und ein viel zu langatmiger Film.


ThB

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